Baum-Vorstellung

 

heute: Der Ginkgo-Baum

 

Vorab ein kleiner erdgeschichtlicher Exkurs:

Der Ginkgo-Baum (Ginkgo biloba) ist der einzige heute noch lebende Vertreter der bis in die Urzeit zurückreichenden Gattung Ginkgo. Bereits im Jura vor etwa 160 Millionen Jahren waren Arten der Gattung Ginkgo in der Pflanzenwelt zu finden. Eine noch ältere Gattung von Ginkgogewächsen, die aber bereits seit längerem ausgestorben ist, ist Sphenobeiera, die schon im Zeitalter des Perms vor knapp 300 Millionen Jahren (oberes Paläozoikum) mit Arten auf dem damaligen Superkontinent Pangäa vertreten war. In den entsprechenden Schichten, auch in Ablagerungen aus dieser Zeit in Europa, sind solche fossilen Funde für die Altersbestimmung dieser Gesteinsschichten sehr wichtig. Die Ginkgogewächse besiedelten wie die aufkommenden Altkoniferen (z.B. Walchia) die seit dem Oberkarbon allmählich trockener werdenden Besiedelungsräume. Beide Pflanzenordnungen traten mit als erste Samenpflanzen auf. Die Vertreter der älteren Steinkohlenwälder im Karbon (Steinkohlenzeitalter) waren mehrheitlich Sporenpflanzen, wobei baumförmige Bärlapp-Gewächse und Baumfarne die Wälder dominierten. Daneben gab es noch die ebenfalls sporenführenden baumförmigen Schachtelhalme (Calamiten), und zwar noch bis in das Zeitalter der Trias hinein. Die auch schon Samen tragenden Bandblattbäume und Samenfarne des Karbons und Perms starben aber bereits bis in die frühe Trias (Erdmittelalter) wieder aus. Mit den altertümlichen wie auch mit den neuzeitlichen Koniferen verbindet sich bei den Vertretern der Ginkgo-Gewächse, so auch beim heute auftretenden Ginkgo-Baum, die Eigenschaft, dass sie alle Nacktsamer sind. Die Bedecktsamer (darunter alle modernen Laubhölzer) traten erst ab der Kreidezeit auf.

Unser noch heute vorkommender Ginkgo (Ginkgo biloba) wird auch als „lebendes Fossil“ bezeichnet. In der Kreidezeit vor mehr als 100 Millionen Jahren sah der Baum fast genauso aus wie heute noch. Auch seine recht waagerecht abstehenden, verzweigungsarmen Seitenäste, die um einen geraden Zentralstamm gruppiert sind, sind vermutlich altertümliche Kennzeichen (Bild 5).

Der heutige Ginkgo-Baum ist ursprünglich in China beheimatet gewesen. In Japan wurde er sehr schnell kultiviert und besitzt dort eine besondere spirituelle Bedeutung.

In den Grünanlagen des Kosmosviertels ist der Ginkgo-Baum leider momentan nur noch mit einem Exemplar vertreten, und zwar im zentralen Grünzug, der sich als Achse von Südwest nach Nordost durch das Wohnquartier erstreckt, hier im Bereich in der Nähe des neu gebauten Seniorenheims (Bilder 1,  2 und 9). Zwei kleine Exemplare standen bis zum Frühjahr 2020 auf dem Schulhof der Pegasusschule und mussten dann leider im Rahmen der Baumaßnahmen zur Schulgebäude-Erweiterung gefällt werden (Bild 8).

 

Bild 1: Ein einzelner Ginkgo-Baum steht im Kosmosviertel in der Nähe des Seniorenheims. Sein kräftig gelb gefärbtes Laub hebt sich hier, Anfang November, von dem bräunlichen Laub der Pyramiden-Eichen im Hintergrund ab. Rechts sind Weidengebüsche sichtbar. (November 2021).

 

Bild 2: Der einzelne Ginkgo-Baum am Seniorenheim im Kosmosviertel zeigt hier, Anfang November, noch einige gelb verfärbte Laubblätter. Die Linden im Hintergrund sind bereits kahl. Anfang November 2021.

 

Bild 3: Gelbes Herbstlaub am Exemplar des Ginkgobaumes im Grünzug in der Nähe des Seniorenheims im Kosmosviertel. An den bereits kahlen Astabschnitten sind an den Zweigen die seitlichen, auffallend dicken Triebe mit den Knospen der Kurztriebe erkennbar. Anfang November 2021.

 

Laub

 

Die Laubblätter des Ginkgobaumes gehören aufgrund ihrer unverkennbar spezifischen Form zu den bekanntesten Baum-Blättern. Sie sind breit fächerförmig. Die Nervatur ist gabelig verzweigt. Die ebenfalls charakteristischen Einkerbungen, nicht an jedem Blatt vorhanden, führen bei einer Einkerbung zur Zweilappigkeit, bei zweien zur Dreilappigkeit (Bild 4).

Man unterscheidet am Baum wie bei einigen Nadelgehölzen (Koniferen) Kurz- und Langtriebe. Der Jahreszuwachs erfolgt über die Langtriebe. Die seitlich ansitzenden Kurztriebe bilden mehrere Blätter, die in Büscheln angeordnet sind. An den kahlen Ästen sind nach dem Laubabwurf im Spätherbst diese kurzen Triebe mit den jungen Knospen sehr auffällig erkennbar (Bild 3). Die Blätter der Langtriebe sind im Schnitt tiefer eingekerbt als die der Kurztriebe. Es treten aber lange, parallele Strukturen der Nervatur auf, die im Gegenlicht schön für die charakteristische Streifung verantwortlich sind.

Der Ginkgobaum ist sommergrün, also im Herbst laubabwerfend. Sein Laub verfärbt sich in dieser Jahreszeit dann intensiv gelb (Bilder 1, 3, 4 und 5). Dies verleiht diesen Bäumen einen hohen ästhetischen und dekorativen Wert.

 

Bild 4: Die häufig auftretende und namengebende Form des fächerförmigen Laubblattes des Ginkgobaumes (Zwei Loben), ist hier gut zu erkennen. Eine schlitzartige Einkerbung in der Blattmitte teilt das breite Blatt scheinbar in zwei Hälften. Eine streifige Struktur der Blattzellstruktur besaßen schon die frühesten Ginkgo-Vorfahren wie etwa die der Gattung Sphenobeiera.

 

Bild 5: Die relativ waagerecht stehenden seitlichen Äste bei gleichzeitig recht geraden zentralen Stämmen sind für die Wuchsformen der Ginkgobäume kennzeichnend. Hier der untere Abschnitt eines Exemplars mit gelber Herbstfärbung des Laubes in der Grünanlage an der Spandauer Straße in Nähe des Humboldt-Forums, Ende Oktober 2021.

 

Blüten und Früchte

 

Der Ginkgobaum gehört als Laubbaum genauso wie die Koniferen zur Pflanzengruppe der Nacktsamer. Alle sonst bei uns auftretenden Laubbäume sind Bedecktsamer (siehe auch oben im kleinen erdgeschichtlichen Exkurs). Die fleischige Hülle seiner Früchte ist keine Bedeckung. Die Samen selbst liegen nackt, sie sind nicht als Kern mit einer Schale entwickelt wie bei den Bedecktsamern.

Der Ginkgobaum besitzt darüber hinaus eine weitere Besonderheit. Botanisch ausgedrückt: er ist zweihäusig. Das heißt, dass neben einer damit verbundenen Getrenntgeschlechtigkeit die Blütengeschlechter auf zwei verschiedene Baum-Exemplare verteilt sind. (Es gibt bei anderen Baum-Arten noch den Fall der einhäusigen Getrenntgeschlechtigkeit, wo beide Blütengeschlechter, getrennt voneinander auf einem Baum zu finden sind (z.B. Mammutbäume, Zypressen, Kieferngehölze, Rotbuchen, Eichen, Edelkastanie, bei Erlen und Birken) sowie die Zwittrigkeit von Blüten, wobei dann beide Geschlechtsorgane auf einer Blüte sitzen. Letzteres ist z.B. bei den Vertretern der Rosengewächse, bei vielen Ahornen und bei der Rosskastanie der Fall.) Weiden und Pappeln wiederum und bei den Koniferen Eiben und viele Araukarien sind ebenfalls zweihäusig, d.h. es treten bei ihnen quasi weibliche und männliche Bäume auf.

Die männlichen Blüten des Ginkgo-Baumes sind an den entsprechenden Bäumen walzenförmige, gelbe Kätzchen. Sie sitzen zu mehreren nur an den Kurztrieben (Bilder 6a und 6b). Die weiblichen Blüten an den entsprechenden Bäumen sind sehr klein, wobei 2-3 nah zusammensitzen. Die Samenanlagen sind frei. Die Bestäubung erfolgt durch den Wind.

 

Bild 6a: An den „männlichen“ Bäumen sind ab Ende April die männlichen Blütenkätzchen zu sehen. Diese sind staubblattbesetzt. Bis Anfang Mai wird innerhalb nur weniger Tage der Pollen freigegeben. Hier an einem Baum in der Grünanlge am Luisenhain in der Altstadt Köpenick, Anfang Mai 2022.

 

Bild 6b: In größerer Auflösung sind die geöffneten Staubblätter der männlichen Blütenkätzchen gut zu sehen. Der Pollen ist hier schon weitgehend herausgeflogen. Hier an einem Baum in der Altstadt Köpenick, Anfang Mai 2022.

 

Aus den weiblichen Blüten entwickeln sich nach der Befruchtung steinfruchtähnliche Samen (Bild 7c). Die hellen Samen sind von einem fleischigen Mantel umgeben. Der Durchmesser dieser kugeligen, an langen dünnen Stielen hängenden Früchte beträgt etwa 2,5 cm (Bilder 7a und 7b). Sieht man sie im Herbst, da sie an den Bäumen umso auffallender sind, je kahler die Bäume sind, dann ist klar, dass es sich um einen weiblichen Baum handelt. Zur Zeit des Laubfalls, etwa ab Ende Oktober und ab dem frühen November, sind die braunorangen fleischigen Hüllen dann voll durchgereift und matschig. Sie verströmen einen unangenehmen, an Fäulnis erinnernden Geruch. Die fast weißen, hellen Samen sind rund bzw. seitlich gesehen flach oval und mit krempenartigen Rändern versehen. Teilweise treten sogar dreikrempige Kanten auf. Die Samen sind zweigeteilt, im letzten Falle auch dreigeteilt. Die Höhe der Samen, von der Position her gesehen, wie sie vorher im Fruchtmantel lagen, beträgt maximal 2,5 cm, ihre Breite etwa 2 cm (Bild 7c).

 

Bild 7a: Eher unabsichtlich fotografiert, im Nachhinein bei der Vergrößerung entdeckt: kugelige Früchte, an langen dünnen Stielen hängend, an einem (weiblichen) Ginkgo-Baum an der Spandauer Straße, Berlin-Mitte (Ende Oktober 2021).

 

Bild 7b: Die an langen dünnen Stielen hängenden Früchte sind von kugelförmiger Gestalt und etwa 2,5 cm im Durchmesser. Die großen hellen Samen sind im späten Herbst zur Reife von einem braunorangen matschigen Fleischmantel umgeben, welcher einen fauligen, unangenehmen Geruch aussendet. Hier an einem Baum an der Spandauer Straße in Stadtmitte, November 2021.

 

Bild 7c: Die Samen des Ginkgobaums sind hell, leicht gelblich von den Rückständen des Fleischmantels und oval in der seitlichen Ansicht. Ein krempenartiger Saum teilt den Samen in zwei Hälften. Die Höhe beträgt etwa bis 2,5 cm. Im Vergleich daneben eine 1-Cent-Münze.

 

Bild 8: Die bis zum Frühjahr 2020 noch auf dem Schulhof stehenden noch jungen Ginkgo-Bäume. Sie mußten im Rahmen der Baumaßnahmen zur Schulgebäude-Erweiterung leider gefällt werden.

 

Bild 9: Der Ginkgobaum in der Nähe des Seniorenheims im Kosmosviertel, Juni 2021.

 

verfasst und mit Fotos versehen von

Detlef Kirstein, Projektleiter „Natur im Kosmosviertel“

 

Literatur:

Steinbachs Naturführer.: Bäume. Mosaik Verlag GmbH, München, 1984.

Bachofer, M.; Mayer, J.: Der Kosmos Baumführer. In der Reihe: Kosmos Naturführer. Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart, 2015.